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Ich bin vor ca. 40 Jahren erstmal mit dem Thema Klimaveränderung durch CO2 konfrontiert worden. Einer meiner ETH Professoren für Ökonomie behauptete, dass die damals heiss diskutierten Grenzen der Erdölreserven nicht relevant seien, da wir als Gesellschaft wegen dem CO2 Problem vorher auf das Verbrennen von Erdöl verzichten müssten. - Damals eine wahrhaft visionäre Aussage!

Warum bin ich heute so überzeugt, dass wir JETZT handeln müssen? Können wir eindeutig beweisen, dass es wegen dem Verbrennen von Erdöl und Kohle zu Klimaveränderungen mit gewaltigen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft kommen wird?

Natürlich sind die aktuell beobachtbaren Klimaveränderungen und Waldbrände starke Indizien für einen Klimawandel. Aber als Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang reicht dies alleine kaum. Um so wichtiger scheinen mir die von der Wissenschaft erstellten Klima-Modelle zur Berechnung der Klimaveränderungen durch den menschenverursachten Eintrag von CO2 (und anderer Treibhausgase) in der Atmosphäre. Diese Modelle sind inzwischen recht ausgereift, Teile davon lasse sich auch überprüfen.

Aber seien wir ehrlich, einen 100%igen Beweis stellt auch dies nicht dar! Da aber leider der Prozess des CO2 Eintrages in den höheren Schichten der Atmosphäre nicht umkehrbar ist, können wir nicht warten, bis ein 100%-iger Beweis vorliegt! Wir müssen jetzt entscheiden ob und was wir tun, ohne dass wir restlos alle Fakten kennen!

Solche Dilemmas treffen wir als Gesellschaft häufig an, genau dafür wurde die Risikoanalyse geschaffen. Dabei werden in einem ersten Schritt die beiden Faktoren Eintrittswahrscheinlichkeit (wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Ereignis eintritt) und die möglichen Schadensauswirkung untersucht. Sind der zu erwartende Schaden und die Wahrscheinlichkeit des Eintritts gross, dann ist Handeln angesagt! Aber auch die Kosten zur Minderung der Eintrittswahrscheinlichkeit oder der Auswirkungen sind zu beachten. Ein Beispiel: Obwohl vielleicht nicht 100%-ig beweisbar ist, dass das Tragen einer Atemmaske gegen die Ansteckung einer Corona Krankheit hilft, verwende ich sie trotzdem, weil deren Einsatz mich nicht viel kostet, weder Geld noch andere grössere Einschränkungen.

Risikoanalyse + Mathematik

Zentrale Faktoren einer Risikoanalyse sind (wie oben dargestellt): E = Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses A = Auswirkungen dieses Ereignisses K = Kosten zur Minderung des Ereigniseintritts oder der Auswirkungen

Anhand dieser Faktoren lässt sich die "Handlungsprioirität" errechnen, d.h. mit wie hoher Priorität müssen wir Massnahmen einleiten. P = Priorität um zu Handeln

Mathematisch lässt sich dies so ausdrücken: P = E x A x 1/Kosten D.h. bei hoher Eintrittswahrscheinlichkeit und grossen Auswirkungen aber kleinen Kosten, wird maximale Priorität (grosse Zahl) zum Handeln erreicht.

Ein einfaches Zahlenbeispiel: Für kleine Werte setzen wir eine 1, für grosse Werte eine 3, die 2 steht für mittlere Werte. Die maximale Priorität errechnet sich dann bei 3 x 3 x 1/1 = 9, d.h. bei grossem E und A, aber bei kleinem K (Kosten). Grafisch lässt sich dies in einem Risikowürfel mit den Koordinatenachsen E, A, K darstellen: Bei grossen Kosten (3) werden wir vernünftigerweise nur im Falle von grossen Eintrittswahrscheinlichkeiten (3) und Auswirkungen (3) handeln. Dabei wird eine Priorität von 3 erreicht (rot eingefärbt im Risikowürfel).
Wir sehen sofort, dass bei mittleren Kosten die gleiche Priorität erreicht wird, wenn z.B. die Eintrittswahrscheinlichkeit nur mittel ist. Die Kosten zur Minderung einer Eintrittswahrscheinlichkeit oder der Auswirkungen haben also einen zentralen Einfluss auf die Priorität.

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Fig.: der Risikowürfel. In den roten Bereichen ist Handeln angesagt Priorität = 3)

Wenden wir dies auf das Risiko "Klimaerwärmung, verursacht durch menschlich erzeugte Treibhausgase" an: Wenn wir die weltweiten möglichen Schadensauswirkungen einer Klimaveränderung betrachten, dann kommen wir nicht darum herum diese als gross zu beziffern. Die Haltung, dass wir in der Schweiz als reichem Land schon irgendwie durchkommen werden, ist für mich moralisch nicht vertretbar und auch sachlich ein Kurzschluss, man/frau denke nur an die möglichen Migrationsströme durch versinkende Grossstädte in Meeresnähe.

Die meisten Klimawissenschaftler vertreten die Meinung, dass auch die Eintrittswahrscheinlichkeit gross ist. Aber auch bei einer Wahrscheinlichkeit von 80 % kann es sein, dass ein Ereignis nicht eintritt! - In dieser Situation werden die Kosten einer Verminderung der Eintrittswahrscheinlichkeit oder einer Schadenslinderung zentral (Wobei mit Kosten nicht nur direkte Kosten gemeint sind, es können auch verursachte Arbeitslosigkeit, gesellschaftlicher Schaden etc. sein).

Falls wir zu lange mit Massnahmen zuwarten, können wir allfällige Schäden nur versuchen nachträglich zu "flicken", d.h. die Auswirkungen einer Klimaveränderung zu mindern. Dies würde sicher zu enormen zusätzlichen Kosten führen, denken wir etwa an die Evakuierung von grossen Städten, die nahe am Meer liegen. Um die Schäden präventiv zu begrenzen, d.h. die Minderung der Eintrittswahrscheinlichkeit, liegt hingegen ein konkreter Handlungsplan vor: den Ausstoss von Klimagasen bis 2050 auf Null reduzieren. Unser erster Gedanken: Diese Reduktion der Verbrennung von Erdöl und Kohle wird Unsummen an Geld kosten! Zum Glück liegt dieser Überlegung ein Denkfehler zu Grunde. Von klassischen Umweltschutzmassnahmen, wie z.B. der Klärung unserer Abwasser, sind wir uns gewohnt, dass zusätzliche Kosten auftauchen und diese mit der Zeit sogar steigen (sog. Grenzkosten: mit zunehmendem Erfolg wird der Aufwand für den gleichen Effekt immer grösser). Natürlich geht es auch bei einer CO2 Transformation um riesige Geldströme, die aber nicht zusätzlich aufgewendet werden müssen, sondern primär umgeleitet werden. D.h. Geld das bisher in Form von Gebühren, Subventionen, Forschungsgelder etc. in fossile und nukleare Energien floss, muss neu in alternative Energien fliessen. Anteilsmässig handelt es sich dabei um vertretbare zusätzliche Kosten ( siehe NZZ_so teuer wird die Energiewende, 2021 : "Die finanziellen Lasten relativieren sich, wenn man sie mit den Investitionen vergleicht, die zur Fortsetzung des «Business as usual»-Szenarios bis 2050 ohnehin notwendig sein werden .... Die Mehrkosten des Netto-null-Ziels würden demnach rund 5 Prozent der Gesamtkosten ausmachen") ! Mehrheitlich geht es also um eine Umverteilung, einen Umbau. Zudem stellen die Kosten für eine sofortige Umstellung der Energiepolitik eine gute Investition dar: eines Tages müssten wir wegen den versiegenden Erdöl-Quellen eh umstellen!

Manche der Herausforderungen einer Transformation lassen sich durch die Einführung neuer Technologien erreichen und wir wissen, dass solche Prozesse oft einem logistischen Wachstum) folgen: Zuerst geht es langsam, dann werden stabile prozentuale Zuwachsraten (→ Zinseszins = exponentielles Wachstum) erreicht, bis sich das Wachstum bei einer oberen Grenze einpendelt. Zum Glück wissen wir heute, dass eine alternative Energieversorgung technisch möglich ist, in vielen Bereichen auch ohne grosse Verzichte, ausser vielleicht einigen Abstrichen beim Fleischkonsum (was der Gesundheit keineswegs schadet!).

Genau dieser Gedankenansatz steckt hinter dem sogenannten "Green New Deal": Die Wirtschaft soll ökologisch umgebaut werden. Dabei betrachten wir dies nicht als Einschränkung sondern als Chance, es entstehen neue Jobs, neue Firmen etc.